Das Weingut Obrecht im Graubünden hat sich dem biodynamischen Weinbau verschrieben und trägt das Demeter-Label. Betriebsleiterin Francisca Obrecht erklärt, wieso ihr Wein nicht jedes Jahr gleich schmeckt – und was daran gut ist.
Francisca Obrecht, welches sind die wichtigsten Unterschiede zwischen dem konventionellen und biodynamischen Weinbau?
Gleich wie im biologischen Weinbau verzichten wir auf chemisch-synthetische Hilfsmittel. Zusätzlich beruht der biodynamische Weinbau auf der Anthroposophie. Wir fokussieren nicht auf Probleme und darauf, wie wir diese bekämpfen können. Stattdessen gehen wir davon aus, dass ein gesunder Boden die Voraussetzung für vitale und robuste Pflanzen ist.
Mit welchen Methoden fördern Sie einen gesunden Boden?
Ein wichtiges Ritual ist das Hornmist-Präparat. Im Herbst geben wir Mist in Kuhhörner, die wir anschliessend vergraben. Im Winter wird der Mist in Kompost umgewandelt, den wir im Frühling stark verdünnt in den Reben ausbringen. Damit wecken wir die Bodenorganismen und aktivieren die Nährstoffe für die Pflanzen. Das Ritual regt auch uns Winzer an: Wenn wir durch die Reben gehen, sehen wir anhand der Dichte des Grases, wo der Boden mastig oder mager ist. So wissen wir, wo es Kompost zum Düngen braucht.
Fühlen Sie sich als Demeter-Winzerin besonders eng mit der Natur verbunden?
Das biodynamische Produzieren bestärkt die Naturverbundenheit auf jeden Fall. Schliesslich können wir beim Pflanzenschutz nur präventiv arbeiten – wenn der Schaden da ist, ist es passiert. Deshalb sind wir darauf angewiesen, die Reben zu beobachten.
Haben die Menschen manchmal falsche Vorstellungen über Ihre Arbeitsweise?
Das grösste Vorurteil ist, dass wir unsere Reben überhaupt nicht spritzen. Diese verklärte Ansicht nervt manchmal. Das Produzieren ist ein Balanceakt: Gewisse Schäden müssen wir akzeptieren, doch wir wollen nicht alle Risiken eingehen. Gelegentlich ist es sinnvoll, als Vorbeugung von Pilzbefall Kupfer einzusetzen. Natürlich wäre es ideal, wenn man es weglassen könnte. Doch im Notfall ist es das beste Mittel, das wir haben.
Weshalb haben Sie sich 2013 für die Umstellung entschieden?
Mein Mann und ich haben den Betrieb 2006 in fünfter Generation übernommen. Unsere Vorgänger haben stets ihr Möglichstes getan, damit der Betrieb für die nächste Generation attraktiv bleibt. Unser Beitrag ist es, in die Nachhaltigkeit zu investieren. Die Biodynamik mit ihren Ritualen und dem Beachten des Mondkalenders ermutigt uns, das, was wir schon immer gemacht haben, aus einer anderen Perspektive zu beobachten.
«Nur» biologisch zu produzieren war Ihnen zu wenig?
Die Biodynamik gibt uns noch einmal eine andere Dimension. So bringt beispielsweise der Mond einen Rhythmus in die Arbeit. Je nachdem, ob er zu- oder abnehmend ist, stehen in den Reben und im Keller andere Aufgaben an. Wir sehen Chancen darin, dass wir nicht immer alles zu jeder Zeit erledigen müssen.
Was spricht aus Ihrer Sicht noch für diese Produktionsweise?
Unsere Arbeit ergibt ein sehr wertiges und individuelles Produkt. Entsprechend sind wir nicht dem Massenwaren-Konkurrenzkampf ausgesetzt. Wir bekommen für unseren Wein einen besseren Preis und eine andere Wertschätzung.
Merkt man es denn einem Wein an, ob er biodynamisch produziert worden ist?
Ich finde schon, ja. Wenn man auf synthetische Dünger verzichtet, nimmt die Pflanze weniger Wasser auf. Das ergibt kleinere Früchte mit einer dickeren Schale. Weil sie weniger wässerig sind, ergibt dies eine ganz andere Gerbstoffstruktur und Aromadichte. Gleichzeitig gibt es im biodynamischen Weinbau bei der Qualität eine grössere Diversität. Unsere Weine unterscheiden sich von Jahrgang zu Jahrgang. Wir brauchen Kunden, die es spannend finden, dass der Wein nicht immer gleich schmeckt.
Stellt Sie das nicht unter Druck?
Die Kunst ist es, die Trauben von unterschiedlicher Qualität zu verschiedenen Zeitpunkten zu ernten und entsprechend zu verarbeiten. Wenn das Jahr nicht so gut ist, kann ich keine riesige Menge Rotwein produzieren. Dafür sind die Trauben vielleicht immer noch sensationell für Rosé oder Schaumwein. Das macht es für mich so spannend. Unsere Produktionsweise sorgt für einen achtvolleren Umgang mit der Rebe. Aber klar, man muss offen sein und Lust haben, die Risiken auf sich zu nehmen. Das auszuhalten, ist nicht immer einfach.
Eine Rückkehr zum konventionellen Weinbau können Sie sich dennoch nicht vorstellen?
Nein. Diese Pseudo-Sicherheit, die man im konventionellen Weinbau hat, ist mir nicht so viel wert. Ausserdem ist es in den Jahren mit grossen Verlusten nicht ausschlaggebend, wie man produziert. Naturereignisse wie Frühlingsfrost oder Hagel betreffen alle Winzerinnen und Winzer gleich. Am Ende überwiegen für mich die Chancen im biodynamischen Weinbau klar. Er regt uns an, kreativ zu sein und uns von dem, was wir als Standard ansehen, zu lösen.
Die rund 2500 Winzerinnen und Winzer der Schweiz erledigen viele der Arbeiten im Rebberg von Hand. Manchmal liegt dies daran, dass die Parzellen schlicht zu steil sind, um sie mit Maschinen bearbeiten zu können. Oft hängt die Handarbeit aber auch mit der Philosophie der Weingüter zusammen – und zwar möglichst im Einklang mit der Natur zu arbeiten. Viele Winzerinnen und Winzer stellen ihre Weine nach den Richtlinien der integrierten Produktion (IP) her. Immer mehr produzieren auch biologische, Demeter- oder Vinatura-zertifizierte Weine.
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