Hochsaison im Weinberg: Henry Grosjean gibt Einblicke in den Höhepunkt des Winzerjahres

Henry Grosjean führt das Château d’Auvernier am Neuenburgersee in 15. Generation. Im September kommt er kaum zur Ruhe, denn die Weinlese steht kurz bevor.

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Tuesday 03 Sep 2024 Nachhaltigkeit

Henry Grosjean, wie steht es aktuell um Ihre Trauben?

Wir stehen jetzt etwa einen Monat vor der Weinlese. In dieser Phase entwickeln sich die Trauben zur Frucht und ihre Haut wird undurchlässig. Sie ist nun nicht mehr anfällig für Pilzkrankheiten und wir müssen sie nicht mehr behandeln. Als nächstes beginnen die Trauben, Zucker zu entwickeln. Bis zur Ernte muss die Zuckerreife erreicht sein, damit der Zucker während der Gärung in Alkohol umgewandelt werden kann. Es gibt auch die phänologische Reife, deren Indikatoren die Traubenhaut und die Kerne sind. Herausfordernd ist, dass diese beiden Reifegrade nicht immer aufeinander abgestimmt sind. Dieses Jahr sollte es knapp aufgehen und einen frischen Jahrgang ergeben.

Wie haben sich die vergangenen Monate mit viel Regen und einem späten Sommeranfang auf die Trauben ausgewirkt?

Es war auf jeden Fall kein einfaches Jahr und wir mussten um unsere Trauben kämpfen. Sobald es stark regnet, muss man im biologischen Anbau spritzen gehen, um die Pflanzen zu schützen. Wir haben gut durchgehalten und ich glaube, dass wir einen schönen Jahrgang haben werden.

Was braucht es jetzt noch für den letzten Schliff?

Ideal ist ein Klima mit kühlen Nächten und warmen, sonnigen Tagen. Die Sonne braucht es für die Photosynthese, damit sich die Tannine entwickeln und die Frucht reifen kann. Die kühlen Nächte sorgen für das gewisse Etwas bei der Aromatik. Insbesondere beim Pinot Noir werden dadurch die Aromen von frischen, roten Früchten gefördert.

Wie entscheiden Sie, an welchem Tag Sie mit der Weinlese beginnen?

Ab Anfang September entnehmen wir Proben aus mehreren Parzellen und bringen sie ins Labor. Dort werden unter anderem das Traubengewicht sowie der Zucker- und Säuregehalt analysiert. Das ergibt eine Reifekurve, die ein guter Indikator für den Erntezeitpunkt ist. In den kommenden Wochen muss ich zudem regelmässig in den Weinberg gehen und dort die Trauben begutachten und probieren.

Es reicht also nicht, sich nur auf moderne Hilfsmittel zu verlassen?

Das wichtigste Werkzeug in der Önologie ist immer noch unser Mund und Gaumen. So wie man im Keller die Weine verkostet, muss man auch die Beeren verkosten und die Kerne zerbeissen, um zu sehen, ob sie zart, knackig, bitter oder weich sind.

Welcher ist Ihr liebster Moment während der Weinlese?

Ich mag es, die Erntehelfer zu begrüssen und sie über das Jahr und die anstehende Arbeit zu informieren. Ich finde es auch schön, wenn nach einer strengen Woche die menschliche Seite und die Persönlichkeiten stark zu spüren sind. Und natürlich ist es toll, wenn der letzte Behälter mit Trauben angekommen ist. Es gibt dann zwar im Keller noch viel Arbeit, aber der Himmel ist uns nicht auf den Kopf gefallen und wir konnten unsere Ernte einkellern. Gleichzeitig herrscht in diesem Moment eine gewisse Traurigkeit, weil es schon vorbei ist.

Welche Bedeutung hat die Weinlese im Jahreszyklus eines Winzers?

Es ist der Höhepunkt des Jahres. Mit der Weinlese kommt man auf dem Gipfel des Berges an, den man während eines Jahres bestiegen hat. Wir haben die Reben beschnitten, behandelt und beschützt, wir haben den Rebberg gemäht, überzählige Trauben abgeschnitten und sie gepflegt, bis sie reif sind. Und dann macht es zack, und man kann sie pflücken – und sieht endlich das Ergebnis von allem, was man gegeben hat.

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