Für ihren Bio-Wein geht sie gerne ein Risiko ein

Sandrine Caloz führt den biologischen Familienbetrieb Cave Caloz im Wallis. Obwohl die naturnahe Arbeitsweise ihre Tücken hat, möchte die Önologin nicht darauf verzichten.
© Cave Caloz
Tuesday 05 Nov 2024 Nachhaltigkeit, Interview

Sandrine Caloz, Ihr Weingut betreibt biologischen Weinbau. Welches sind die wichtigsten Unterschiede zum konventionellen Weinbau?

Im biologischen Weinbau sind chemisch-synthetische Herbizide, Fungizide und Insektizide nicht erlaubt. Zudem dürfen wir keine mineralischen Düngemittel verwenden. Die Unterschiede betreffen aber nicht nur die Arbeit im Rebberg, sondern auch im Keller.

Wo sind dort die Unterschiede?

Für das Bio Suisse-Label gibt es ein umfangreiches Pflichtenheft, das die Verwendung vieler önologischer Produkte verbietet.

Weshalb haben Sie sich für die Umstellung entschieden?

Es sind eher philosophische Gründe. Mein Vater hat bereits Anfang der 2000er-Jahre einen Teil des Weinguts für den Bio-Anbau zertifiziert. Natürlich ist es manchmal herausfordernd, besonders in einem Jahr wie diesem. Wir hatten viel Regen und damit auch viel Stress in Bezug auf Pilzkrankheiten.

Dennoch überwiegen für Sie die positiven Aspekte?

Grundsätzlich haben wir im Wallis deutlich weniger Regen als in anderen Teilen der Schweiz. Dank des hiesigen Klimas gelingen uns selbst bei extremen Bedingungen sowohl quantitativ als auch qualitativ zufriedenstellende Jahrgänge. Zudem ist unser Gebiet stark mechanisiert, auf einem grossen Teil des Weinguts können wir mit Traktoren arbeiten. Das erleichtert uns die Arbeit und verringert die Produktionskosten. Wenn ich mit Kollegen aus anderen Kantonen diskutiere, höre ich oft, wie sich etwa der Klimawandel immer mehr auf die Produktion auswirkt. Ich kann verstehen, dass sie sich Sorgen machen. Für mich ist eine Neuausrichtung jedoch kein Thema.

Inwiefern spüren Sie den Klimawandel in Ihrem Betrieb?

Da die Winter weniger kalt sind, kommt es öfter zu Frühjahrsfrost. Und dann wechseln sich die Extremereignisse ab: 2022 hatten wir eine Dürre, 2024 rekordmässig viel Regen. Hinzu kommt das Auftreten neuer Schädlinge, wie etwa dem Japankäfer. Ich frage mich, wie lange es noch dauert, bis er bei uns auftaucht. Glücklicherweise arbeitet die Forschung in der Schweiz daran, biologische Bekämpfungsmethoden gegen diesen Schädling zu finden.

Sandrine Caloz, Cave Caloz

Wie würden Sie Ihre Philosophie im Weinbau beschreiben?

Seit acht Jahren setzen wir auf regenerativen Weinbau, der die biologische Vielfalt und die Fruchtbarkeit des Weinbergs verbessert. Im August säen wir Gründünger aus, etwa Roggen, Klee und Chinakohl. So versuchen wir, die Artenvielfalt zu erhöhen, aus der Monokultur auszubrechen und den Boden bedeckt zu erhalten. Ausserdem können wir so Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernen und im Boden binden.

Welche Vorteile ergeben sich daraus?

Bei starken Regenfällen erodieren Böden, die nicht mit Herbiziden behandelt werden, viel weniger. Es ist also von Vorteil, wenn die Böden mit Gras bedeckt sind. In unseren Reben haben wir zudem die Rückkehr von bestimmten Vogelarten festgestellt, darunter solche, die grosse Insekten fressen. Das ist äusserst interessant und wertvoll. Gleichzeitig sind jedoch die Produktionskosten im ökologischen Landbau höher – in einem herausfordernden Jahr wie diesem um 20 bis 30 Prozent.

Sind entsprechend auch Ihre Weine teurer als solche aus konventionellem Anbau?

Das stellt sich genau das Problem. Die Kundschaft in der Schweiz ist für das Argument, dass Weine aus biologischer Produktion höhere Kosten mit sich ziehen, nur mässig empfänglich. Es ist zwar ein Verkaufsargument, aber wir können die Weine deswegen nicht um 30 Prozent teurer verkaufen. Wir versuchen stets, die Preise so zu halten, dass sie mit den benachbarten Betrieben konkurrenzfähig sind. Schliesslich wollen wir unsere Kundschaft, die seit Jahren zu uns kommt, halten.

Klingt nach einer Gratwanderung?

Letztendlich ist es auch Kalkül. Bei bestimmten Spezialitäten haben wir ein bisschen mehr Marge, bei den Einstiegsweinen etwas weniger, sodass sich auch die Leute mit einem kleineren Geldbeutel einen Fendant oder Gamay leisten können.

Gibt es noch etwas, das Ihnen im Zusammenhang mit dem biologischen Weinbau auf dem Herzen liegt?

Es wird oft so getan, als wären sich die biologischen und konventionellen Winzer feindlich gesinnt – was nicht stimmt. Die Verbraucher haben teilweise eine sehr schwarz-weisse Lesart, ohne wirklich die Schwierigkeiten und das Engagement zu verstehen, die es braucht, um biologisch zu produzieren. Gleichzeitig gibt es Winzer, die mit grossem Bewusstsein nach den Grundsätzen der integrierten Produktion (IP) arbeiten und damit einen sehr sinnvollen Weinbau betreiben. Ich finde die Frage nach Bio oder Nicht-Bio komplizierter als sie auf den ersten Blick scheint, und für mich gibt es kein Richtig oder Falsch.

Schweiz. Natürlich.